Vagusnerv - der Selbstheilungsnerv:
9 Tipps zur Stärkung
Hast du schon mal was vom Vagusnerv gehört?
Er wird auch als Selbstheilungsnerv bezeichnet und spielt eine wichtige Rolle in unserem Nervensystem. Er ist maßgeblich daran beteiligt, wie gut (oder nicht so gut) wir mit Herausforderungen umgehen können.
Durch gezielte Übungen lässt er sich stärken, sodass sich innere Anspannungen lösen können und es einfacher wird, das Nervensystem in Balance zu bringen.
Was ist der Vagusnerv?
Der Vagusnerv ist der längste unserer zwölf Hirnnerven und gehört zum autonomen Nervensystem. Genauer gesagt gehört er zum Parasympathikus. Er steht über Zehntausende von Nervenfasern mit den wichtigsten Organen in Verbindung und wirkt auf nahezu sämtliche unbewusst (autonom) ablaufende Körperfunktionen.
Welche Bedeutung der Vagusnerv für unsere Gesundheit wie auch für unser soziales Leben hat, erforschte maßgeblich Prof. Stephen Porges, der 1994 die Polyvagal-Theorie vorstellte.
Seitdem weiß man, dass der Vagusnerv zwei wesentliche Verästelungen im Körper hat, die im Körper zu unterschiedlichen Organen führen.
Der sog. vordere (ventrale) Vagus zieht sich vom Hals zu den Ohren, dem Kehlkopf und erstreckt sich auch im Brustraum, wo er das Herz und die Lunge innerviert.
Er ist immer dann aktiviert, wenn wir uns sicher fühlen und ist - vereinfacht gesagt - für Aufgaben wie Selbstheilung, Erholung, Kontakt und Kommunikation zuständig.
Der hintere dorsale Vagus hingegen innerviert die Organe unterhalb des Zwerchfells, wie den Magen, die Bauchspeicheldrüse, den Darm, die Blase usw.
In einem gut regulierten Nervensystem ist die Aktivität des vorderen (ventralen) Vagusnervs vorherrschend.Tiefer wollen wir an dieser Stelle gar nicht eintauchen und uns lieber der Praxis widmen, mit der du deinen ventralen Vagusnerv stärken kannst.
Bei erhöhtem Stress jedoch - oder wenn der ventrale Zweig des Vagusnervs von klein auf nie richtig gestärkt wurde - reduziert sich die ventrale Vagusnerv-Aktivität, wodurch viele Körperprozesse aus der Balance geraten und das Immunsystem geschwächt wird. Beides hat in der Folge oft auch einen negativen Einfluss auf unsere Gedanken und Empfindungen.
Wenn du jedoch mehr über den Aufbau und die Funktion des autonomen Nervensystems und die Polyvagal-Theorie erfahren willst, schau dir gerne unser 3-teiliges Video-Training “Die Neurobiologie echter Transformation” an.
Wenn dich dieser Blogartikel jetzt neugierig auf das Thema Nervensystem gemacht hat, schau dir gerne unserer 3-teiliges Video-Training Die Neurobiologie echter Transformation an.
Darin tauchen wir noch tiefer in das Thema ein, welchen Einfluss das Nervensystem darauf hat, wenn du etwas in deinem Leben verändern willst.
Anzeichen eines geschwächten Vagusnerv
Wenn die ventrale Vagus-Aktivität vermindert ist, kann das autonome Nervensystem aus der Balance geraten und sich langfristig dysregulieren. In diesem Zustand fühlen wir uns schneller gestresst und überfordert.
Eine hohe Aktivität des ventralen Vagus jedoch bewirkt, dass sich der Körper nach Stress gut erholen kann und die Herzfrequenz, Atmung, Blutdruck und Verdauung optimal eingestellt sind.
Es gibt Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen einem hohen ventralen Vagus-Tonus und positiven Emotionen sowie Gesundheit beschreiben.
Ein niedriger ventraler Vagus-Tonus hingegen kann mit folgenden Anzeichen eines dysregulierten Nervensystems einhergehen:
Verdauungsprobleme & Sodbrennen
schwaches Immunsystem
chronische Entzündungen
Ängste & sorgenvolle Gedanken
Müdigkeit und Abgeschlagenheit
Schlafstörungen
Kopfschmerzen
Überforderung
9 Tipps zur Aktivierung des Vagusnerv
Obwohl der Vagusnerv Teil des autonomen Nervensystems ist und damit unbewusst (autonom) aktiviert wird, kannst du trotzdem selbst auch ein wenig Einfluss nehmen! Er kann mit gezielten Übungen stimuliert und gestärkt werden. So kannst du bewusst entspannen, deine Erholung nach stressigen Phasen unterstützen und deinen Kreislauf sowie dein Immunsystem stärken.
Folgende 9 Vagusnerv-Übungen können dir helfen, seinen Tonus bzw. seine Aktivität zu erhöhen.
1. Bewusst atmen
Bewusstes Atmen ist etwas, womit du dein Nervensystem ganz einfach selbst entspannen kannst.
Dabei ist es unwichtig, wie viele Atemzüge du pro Minute oder innerhalb eines gewissen Zeitraums nimmst. Vielmehr geht es darum, dich auf deinen Atem zu fokussieren und diesen bewusst wahrzunehmen - ohne Vorgaben.
Dabei kann dir helfen, eine Hand auf deinen Bauch und eine Hand auf deine Brust zu legen, um deine Atemzüge ganz bewusst spüren zu können.
Wichtig ist einfach, dass du dich nicht unter Druck setzt, indem du besonders tief atmen willst. Atme gerne so tief, wie es ganz natürlich möglich ist und beobachte einfach diesen natürlichen Atemfluss.
2. Massagen
Der Vagusnerv kann auch durch Streicheln oder sanfte Massagen aktiviert werden.
Dafür kannst du beide Handflächen außen an den Hals legen (hier verläuft der Vagusnerv) und mit sanften Bewegungen zwischen Ohr und dem Übergang zur Schulter kreisend über die Haut streichen.
Durch den sanften Druck stimulierst du deinen Vagusnerv.
3. Lachen
Herzhaftes Lachen hilft im Allgemeinen, Stresshormone zu reduzieren und kann vor allem auch den Vagus aktivieren.
Vielleicht ist es ja wieder einmal Zeit für deine Lieblingskomödie oder einen entspannten Abend mit Freunden, mit denen Lachen vorprogrammiert ist.
4. Temperaturreize
Der Vagusnerv reagiert außerdem auf Temperaturreize.
Dabei kann zum Beispiel eine kalte Dusche am Morgen oder der Sprung in einen kalten See helfen und dich entspannt fühlen lassen.
Aber neben Kälte hilft auch Wärme dabei, deinen Vagusnerv zu aktivieren. Je nachdem was dir lieber ist, hast du also die Wahl zwischen kalt und warm. Beobachte einfach, wie dein Nervensystem auf die jeweilige Temperatur reagiert und mit welcher Temperatur du dich entspannen kannst.
Für die warmen Temperaturen kannst du vielleicht einmal den Gang in die Sauna oder eine heiße Badewanne ausprobieren.
5. Meditation
Meditation kann dabei helfen, präsenter zu werden und unmittelbar im Hier und Jetzt zu sein.
Wichtig ist es dabei, dich nicht zu zwingen, deine Gedanken abzuschalten oder den Kopf zu leeren. Werde vielmehr einfach zur Beobachterin deiner Gedanken, spüre, was diese mit dir und deinen körperlichen Empfindungen machen - und lass einfach alles sein. Ganz im Sinne des SEIN-Modells, über das wir im Artikel "Das SEIN Modell - wie du emotionale Trigger auflösen kannst" schon berichtet haben.
Meditiation kann - wenn sie ohne Druck und traumasensibel praktiziert wird - helfen, dein Nervensystem zu regulieren und somit auch den Tonus des Vagus in Balance zu bringen.
6. Singen & Summen
Singen, summen und OM sorgen für gesunde Entspannung!
Die beiden Äste des Vagusnervs verlaufen am Hals entlang des Kehlkopf und der Luftröhre. An diesen Punkten wird er durch die Vibration der Stimme aktiviert.
7. Übung “Kopf drehen”
Mit dieser kurzen Übung wird der Teil des Vagusnervs angesprochen, der durch den Hals verläuft und auch die Augenmuskulatur innerviert.
Hierzu drehe den Kopf einmal langsam nach links und fokussiere am Endpunkt einen Gegenstand für ein paar Sekunden mit deinen Augen, so dass du eine sanfte Dehnung sowohl in der Hals- und Nackenmuskulatur, aber auch in der Augenmuskulatur spürst.
Dann drehe den Kopf langsam nach rechts und fixiere auch hier wieder einen Gegenstand.
Wiederhole das ganze einfach ein paar mal, bis du das Gefühl hast, es ist genug.
8. Bewegung
Egal, ob ein langer Spaziergang an der frischen Luft, Yoga, Jogging oder Dehnen… jegliche Art von Bewegung, die sich für dich gut anfühlt, kann einen positiven Einfluss auf das autonome Nervensystem und somit auch den Vagus, haben.
Ein ganz wichtiger Hinweis hierzu:
Es sollte auf keinen Fall Druck oder Stress damit in Verbindung stehen. Mach nur das, was sich für dich wirklich gut anfühlt.
9. Übung: 5-4-3-2-1
Die Übung dient zur Entspannung und hilft dir, aufs Hier und Jetzt zu fokussieren (warum das so wichtig ist, erfährst du auch im dritten Teil unseres 3-teiligen Video-Trainings oder im Blog-Artikel über das NeuroEmbodied Healing® Framework).
Wir stellen dir hier die ungekürzte Version der Übung vor. Solltest du aber mal weniger Zeit haben, erklären wir am Ende auch, wie du die Übung für dich abwandeln kannst.
Vorbereitung:
Finde eine für dich angenehme Position (egal, ob im Sitzen, Liegen oder Stehen) und such dir einen Punkt im Raum, auf dem du deinen Blick ruhen lassen kannst. Du kannst dich während der Übung gerne auch bewegen und deine Position verändern - wichtig ist, dass du dich wohl fühlst.
Atme ein paar mal tief ein und aus.
Schritt 1.
Zähl jetzt – laut oder in Gedanken – 5 Dinge auf, die du gerade sehen kannst.
Zum Beispiel: “Ich sehe den Tisch, das Telefon, die Uhr, den Teller und das Fenster.”
Schritt 2.
Lenk deine Aufmerksamkeit danach auf das, was du hören kannst und zähl auch hier fünf Dinge auf.
Zum Beispiel: “Ich höre die Vögel zwitschern, den Verkehrslärm, ….”
Schritt 3.
Jetzt fokussier dich auf das Spüren und nenne fünf Dinge, die du gerade spüren kannst.
Zum Beispiel: “Ich spüre meine Füße auf dem Boden, usw..”
Wiederhol die Schritte 1, 2 und 3 - diesmal jedoch nur mit jeweils 4 Dingen, die du sehen, hören und spüren kannst.
Dann geht es weiter mit 3 Dingen, 2 Dingen und schließlich mit jeweils 1 Wahrnehmung je Kategorie (Sehen, Hören, Spüren).
Nochmal zur Veranschaulichung:
5 mal: Ich sehe ... ! → 5 mal: Ich höre ... ! → 5 mal: Ich spüre ... ! →
4 mal: Ich sehe ... ! → 4 mal: Ich höre ... ! → 4 mal: Ich spüre ... ! →
3 mal: Ich sehe ... ! → 3 mal: Ich höre ... ! → 3 mal: Ich spüre ... ! →
2 mal: Ich sehe ... ! → 2 mal: Ich höre ... ! → 2 mal: Ich spüre ... ! →
1 mal: Ich sehe ... ! → 1 mal: Ich höre ... ! → 1 mal: Ich spüre ... !
Und wenn du mal eine kürzere Variante dieser Übung praktizieren willst, kannst du sie folgendermaßen abwandeln:
- Zähl dir 5 Dinge auf, die du sehen kannst.
- Dann 4 Dinge, die hören kannst.
- Dann 3 Dinge, die du spüren kannst.
- Dann 2 Dinge, die du riechen kannst.
- Und dann 1 Sache, die du schmecken kannst.
Indem du deinen Vagusnerv selbst stimulierst, kannst du deinem Körper eine Nachricht senden und ihm mitteilen, dass es an der Zeit ist, sich zu entspannen.
Das kann dir langfristig dabei helfen, dein Nervensystem zu regulieren und deine Resilienz zu stärken.
Versuch gerne einfach mal unsere 9 Tipps in deinen Alltag zu integrieren und beobachte einfach, wie sie auf dein Nervensystem wirken.
Podcast-Empfehlungen zum Blogartikel
- Podcast-Episode 187: Das NeuroEmbodied Healing® Framework: Weg zum authentischen Selbst
- Podcast-Episode 186: Wie ein dysreguliertes Nervensystem deinem Erfolg im Weg steht
- Podcast-Episode 180: Was ist Neuroembodiment und wofür ist es gut
- Podcast-Episode 170: Angst vor Veränderung - Warum es so schwer fällt, sich zu ändern
- Podcast-Episode 168: Was sich durch die Arbeit mit dem Nervensystem verändert